Mehr Shein als sein

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Sie heißen Temu, Shein, Wish oder AliExpress. Über asiatische Billig-Plattformen landet täglich auch Kinderausstattung massenhaft auf dem deutschen Markt. Bei den jüngeren Käufern werden diese Marktplätze immer beliebter. Erste Tests haben ergeben, dass viele Produkte ein hohes Sicherheitsrisiko gerade für Babys und Kleinkinder darstellen. Als Drittanbieter außerhalb der EU können die Plattformen dafür aber kaum zur Verantwortung gezogen werden. So beurteilen Mitglieder und Fördermitglieder des BDKH die asiatische Konkurrenz.

Michael Neumann, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH)

Billig-Plattformen unterlaufen die bei uns geltenden Normen

„Asiatische Schnäppchen-Plattformen wie Temu, Shein & Co liefern massenhaft und unkontrolliert Kinderprodukte zu Dumpingpreisen in die EU und auch nach Deutschland. Sie unterlaufen dabei bewusst die hier geltenden Standards, die Kinder und Eltern schützen sollen. Um die Sicherheit von Konsumenten zu gewährleisten und einen fairen Wettbewerb einzuhalten, muss der Gesetzgeber dringend tätig werden. Hier sind strukturelle Kontrollen notwendig. Plattformen, die offensichtlich nichts unternehmen, um die bei uns geltenden Normen zu respektieren, müssen mit entsprechenden Sanktionen belegt werden. Gleichzeitig müssen die Verbraucherschutz-Organisation und auch wir als Hersteller und Industrieverband mehr darüber aufklären, wie hoch die Risiken von Produkten sind, die auf solchen Plattformen bestellt werden.“

Daniela Ortner, Leitung Marketing bei Träumeland

Billigware gefährdet das Wohl unserer Kinder

„Unsere Baby- und Kindermatratzen werden zu 100 % in Österreich hergestellt und wir legen großen Wert auf die Qualität und Sicherheit unserer Produkte. Unsere Rohstoffe beziehen wir bewusst aus dem europäischen Raum, um kurze Lieferwege zu gewährleisten und die Abhängigkeit von minderwertiger Billigware aus China zu minimieren. Das ‚Made in Austria‘-Siegel ist ein Zeichen für überlegene europäische Handwerkskunst und strenge Sicherheits- und Qualitätsstandards. Im Vergleich dazu kann Billigware aus China weder in Bezug auf Qualität noch Sicherheit mithalten. Dabei ist gerade bei Baby- und Kindermatratzen die Herkunft und Sicherheit der Produkte von entscheidender Bedeutung.

Trotz positiver Kundenrückmeldungen stehen wir im harten Konkurrenzkampf und unter erheblichem Preisdruck, besonders im Textilbereich, wo aggressive Werbemaßnahmen und Dumpingpreise üblich sind. Um den fairen Wettbewerb zu sichern und die europäische Qualitätsproduktion zu schützen, muss die EU dringend mit strikten Regularien gegen minderwertige Billigimporte aus China vorgehen. Nur so können wir gewährleisten, dass europäische Standards nicht untergraben werden und unsere Konsumenten weiterhin Produkte höchster Qualität erhalten.“

Andreas Wüthrich, CEO DACH Artsana

Billigkonsum gefährdet Sicherheit, Umwelt und Arbeitsplätze

„Als Mitglied des BDKH und Anbieter von Kinderprodukten sind wir von der Entwicklung der asiatischen Billig-Plattformen und im Besonderen von den bisherigen Testresultaten zur Produktsicherheit beunruhigt. Die Fakten sind klar: Nicht konforme Produkte sind in der EU nicht zulässig. Tatsache ist aber eben auch, dass auf asiatischen Billig-Plattformen gekaufte Produkte – wie Tests beweisen – die Produktsicherheitsanforderungen nicht erfüllen. Der Spielwarenverband Schweiz hat 18 Produkte getestet, wovon 15 nicht verkehrsfähig waren. Ein Test des europäischen Verbands TIE erbrachte ebenfalls ein verheerendes Resultat.

Wir scheuen den Wettbewerb nicht. Aber die Spielregeln müssen für alle Marktteilnehmer gleich gelten. Das ist aktuell nicht gegeben.

Ultrabilliger Konsum und gleichzeitige Umgehung von geltenden Rahmenbedingungen haben einen starken Einfluss auf die Umwelt, den Konsumentenschutz, die Industrie, die Steuereinnahmen des Staates und letztendlich auch auf Arbeitsplätze.

Aus dem Grund ist die Politik gefordert, dringend faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und gegen Verstöße entschieden vorzugehen, damit Verbraucher sicher konsumieren können.

Gleichzeitig müssen wir zusammen mit unseren Handelspartnern, die Vorzüge unserer Produkte, die Einhaltung der Produktsicherheit, die kompetente Beratung, die Serviceleistungen und Zuverlässigkeit noch besser kommunizieren, damit die Konsumentinnen und Konsumenten den Nutzen des lokalen Einkaufs besser wahrnehmen.“

Dr. Robert Gietl, Geschäftsführer der PEG Kinderwagenvertriebs- und Service GmbH

Temu-TV-Werbung prominent zur Fußball-EM?

„Auf asiatischen Billig-Plattformen werden meiner Einschätzung nach im Babybereich vor allem Textilien und Spielzeug gekauft; auch kleinere Zubehörartikel zu Kinderwagen, Autokindersitzen und Buggys, wie Regen- oder Sonnenschutz. Das sind Produkte, bei denen der Kunde oder die Kundin möglicherweise nicht so sehr auf Sicherheitszertifikate achtet und meist relativ wenig Recherche vor dem Kauf macht.

Man kann nicht warten, bis die Politik Regeln gegen den Import von Produkten ohne Zertifizierung erlassen hat. Wir müssen bereits jetzt die Konsumenten darüber informieren, welche Risiken sie eingehen, wenn sie bei Temu, Shein & Co. einkaufen. Wenig zielführend ist es da, wenn auf unseren öffentlich-rechtlichen TV-Sendern zur Hauptfernsehzeit Temu-Werbung über die Bildschirme läuft – z. B. direkt vor dem Anstoß des EM-Fußballspiels Deutschland gegen Spanien.“

Dr. Fee Mäder, Rechtsanwältin und Partnerin in der Kanzlei Oppenhoff

Unlauterer Wettbewerb und die Verletzung geistiger Eigentumsrechte

„Wir beobachten, dass immer mehr Mandanten sich mit einer Verletzung ihrer geistigen Eigentumsrechte durch auf den Plattformen angebotene Produkte konfrontiert sehen. Hier geht es insbesondere um eine unverhohlene Übernahme von design- und urheberrechtlich geschützter Gestaltungen sowie Markenverletzungen, insbesondere bei der Verwendung markenrechtlich geschützter Keywords bei suchbasierten Werbekampagnen.

Unternehmen wie H&M, Inditex und Doc Martens befinden sich bereits in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Temu und Shein.

Präventiv kann hier ein Antrag auf Grenzbeschlagnahme von rechtsverletzenden Produkten helfen, allerdings gelangen auch die hierfür zuständigen Zollbehörden aufgrund der hohen Anzahl von Paketen, die täglich aus China eintreffen, an ihre Kapazitätsgrenzen.

Auch die Verbraucherschützer haben verstärkt ein Auge auf die Plattformen und ihre Praktiken geworfen. In den letzten Monaten kam es vermehrt zu Abmahnungen der Verbraucherzentralen, unter anderem wegen irreführender Rabatthöhen und manipulativer Hinweise wie ‚Beeile dich! Über 126 Personen habe diesen Artikel in ihrem Warenkorb.‘ Sowohl Temu als auch Shein gaben daraufhin Erklärungen ab, solche Handlungen künftig zu unterlassen und änderten die deutsche Webseite.

Auch wenn der Druck auf die Plattformen damit sicherlich gestiegen ist, ist es – insbesondere solange die Verbraucherakzeptanz hoch ist – ein weiter und mühsamer Weg, die Beachtung europäischer Rechtsstandards durchzusetzen.“

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